Möglichkeiten und Endlichkeit

Sokrates: Wie ist es also mit der Liebe? Wollen wir also sagen, dass sie zu den widerspruchsvollen Dingen oder zu den anderen gehört?
Phaidros: Doch zu den widerspruchsvollen …

(Platon: Phaidros)

Was wir uns am sehnlichsten wünschen, kann uns am tiefsten verletzen. Unser abgegrenztes Ego muss sich in der Liebe öffnen und verletzbar machen. Gerade sensible und einfühlsame Menschen fürchten sich daher vor der Liebe am stärksten ob der Schmerzen beim Scheitern. Daneben besteht ein weiterer Grund für die Bindungsangst im höheren Alter im „Verrechnen“ der Liebesversuche früherer Jahre.

Manchen Menschen fällt es schwer, sich im Meer der Möglichkeiten unserer Zeit festzulegen, denn dies heißt, die Endlichkeit meiner Möglichkeiten und letztlich meiner selbst anzuerkennen – und je größer die Auswahlmöglichkeiten, desto höher sind die Opportunitätskosten. Viele vermeintliche Möglichkeiten sind jedoch nur egozentrische Illusion, weil wir an der Phantasie eines unendlichen Lebens festhalten oder unsere eigenen Eigenschaften schönreden.

 Lit.: Wolfgang Paetzold: Teflonherz und Liebesgier. Beziehungen in Zeiten der Ichsucht, München 2012, S. 18-23.
„Sich einlassen hat die Konnotation von Endlichkeit, und viele Menschen können sich nicht in einer dauerhaften Beziehung einrichten, weil dies bedeuten würde: „Das ist es“, keine Möglichkeiten mehr, keine gloreichen Träume ständigen Aufstiegs mehr.“
Lit.: Irvin D. Yalom: Existentielle Psychotherapie. Köln 2000, S. 206